News aus dem deutschen Theater
13.07.23
Der doppelte Hud
HAIR-Treffen der Generationen
Ron Williams ist 81 Jahre alt und blickt auf eine lange Karriere als Kabarettist, Schauspieler, Sänger und Moderator zurück. Savio Byrczak ist 24 Jahre alt und steht noch am Anfang seiner Laufbahn als Sänger und Darsteller. „Du könntest ja mein Enkel sein“, meint Williams lachend beim Aufeinandertreffen der beiden vor kurzem hier im Theater. Was die beiden gemeinsam haben? Ron Williams war der erste Darsteller des Hud in der ersten deutschen Inszenierung des Musicals HAIR im Jahr 1968. Die feierte damals am Theater an der Brienner Straße Premiere. 55 Jahre später übernimmt nun Savio Byrczak diese Rolle. In der Inszenierung von Andreas Gergen, die im vergangenen Jahr am Salzburger Landestheater entstand und als exklusives Deutschland-Gastspiel für zwei Wochen in München zu sehen ist.
„Im Mai 1968 bekam ich in Ascona, wo ich meine Band Ronny Williams and the Soul Flowers hatte, einen Anruf und wurde zu einem Casting nach Zürich eingeladen. Ich wusste da noch gar nicht was „Hair“ war“, erzählt Ron Williams. „Ich kam geschniegelt im grauen Anzug, Regisseur Bertrand Castelli aus New York saß da. Ich habe einen Song gesungen und: engagiert!“ Auch als Regisseur hat Ron Williams das Kult-Musical später auf die Bühne gebracht. „Es ist schön, dass das Stück heute immer noch das Publikum begeistert. Und das aber nicht als Anachronismus, sondern als Rückblick. Als eine Art Erinnerung an etwas, das war, aber dessen Themen noch immer aktuell sind.“
Dass HAIR viel mehr ist als nur ein Musical mit schöner Musik, wurde auch Savio Byrczak erst nach seinem Engagement in Salzburg so richtig bewusst. „Ich hatte den Film noch gar nicht gesehen und kannte auch nur ein paar Songs. Ich war denke ich einer von den Leuten, die denken. Oh cool, schöne Musik und ein bisschen Flower Power Feeling“, erzählt er. „Aber dann habe ich mehr mit dem Stück beschäftigt. Den Film geschaut, mich eingelesen und schnell gemerkt, das geht ja viel tiefer. Krieg, Umwelt, sexuelle Befreiung: Genau das geht doch alles heute weiter. Und als Person of Color hast du immer noch Probleme. Und wenn man queer ist, erlebt man immer noch Ablehnung.“ Seine Rolle des Hud, die mit „Colored Spade“ sicherlich einen der am meisten polarisierenden Songs des Stücks innehat, ist für ihn daher nicht nur irgendeine Rolle als Musical-Darsteller. Und HAIR nicht nur ein Musical. Beides ist Message und Auftrag. „Das, was den „Tribe“ als unsere Gruppe im Stück umtreibt, muss immer noch als Forderung ans Publikum herangetragen werden: Stoppt den Krieg, überwindet endlich Diskriminierungen. Denn es ist ja so: Immer wenn man gerade mit den Emanzipationsbewegungen etwas weiter gekommen ist, kommt der nächste Zaun.“
Ron Williams, der leider bei der Premiere verhindert ist, sich aber eine Woche später eine Vorstellung anschauen wird, freut sich in jedem Fall schon sehr auf diese für ihn ganz spezielle Zeitreise. „Ich bin sehr gespannt, wie ihr das in der heutigen Zeit umsetzen werdet“, sagt er und fährt an Savio gewandt fort: „Ich weiß in jedem Fall, dass Du gut sein wirst. Das spüre ich jetzt schon.“ Die Frage, ob er selbst eigentlich damals ein Hippie gewesen sei beantwortet er so. „Ich war kein Hippie in diesem Sinn. Aber ich war schon ein Revoluzzer auf meine Art und Weise. Darum bin ich in diesen Beruf gegangen und habe auch politisches Kabarett gemacht. Und vielleicht habe ich damit auch ein paar Dinge mit anschieben können in all den Jahren.“
Hair – Das Musical spielt vom 14. bis 30. Juli. Weitere Infos dazu finden Sie hier.