Pressedienst: Weibsbilder
Samstag, 1. Oktober 2022 im Silbersaal
(Selbst)-Ironische Münchenpremiere
Dass an diesem Abend viel (Selbst)-Ironie im Spiel ist, verrät ja schon der Untertitel des Programms: „(Selbst) Porträts von Frauen mit schlechten Eigenschaften“. Dass die Pro-tagonistinnen es selbst als „altmodisch“ bezeichnen, liegt in der Tatsache begründet, dass die Autoren der verwendeten Texte fast allesamt in den goldenen Zwanzigern und in der Gattung des (Berliner) Kabaretts tätig waren. Dass das alles aber heute noch hochaktuell ist beweisen die Weibsbilder bei ihrer Münchenpremiere auf unserer Bühne.
Worüber lacht die Mona Lisa? Was ist Iphigenies Problem? Ist die Loreley überhaupt natur-blond? Oder ist alles nur eine Fata Morgana? Warum werden aus Männern Schweine, und was soll Circe damit zu tun haben? Was trägt die Jungfrau von Orléans drunter? Wie klaut frau unauffällig einen Bechstein-Flügel? Was haben Männer und Zigaretten gemeinsam? Und warum soll eine Frau kein Verhältnis haben? Diese und andere brennende Fragen be-antworten – vielleicht! – Sängerin Karola Pavone, und am (frisch geklauten) Flügel Nadine Schuster, unter Zuhilfenahme gesammelter Thesen der letzten 5000 Jahre Kultur- und Musik-geschichte. Und berufen sich dabei auf große Kenner des Weiblichen, Männlichen, Mensch-lichen. Die großartige Revue mit Texten und Tönen von und nach Hollaender, Kästner, Benatzky, Kreisler, Tucholsky, Oscar Straus, Irmgard Keun, Madame du Chatelet, Pavone, Schuster und anderen, die es wissen müssen ist im Januar erstmals auf unserer Bühne zu erleben.
Der Bogen reicht von Madame du Chatelet, langjährige Partnerin Voltaires, über Franz Schu-bert bis zum Chanson von Georg Kreisler aus den 1970er Jahren. Was diese Werke gemein-sam haben, ist die feine Ironie, der bis zum Sarkastischen reichende Tonfall, mit dem auch vor 100 Jahren schon gesellschaftliche und (tages-)politische Phänomene rezipiert und karikiert wurden – der absurde Humor, mit dem man sich gern über das Bildungsbürgertum mokierte (Holländers „Circe“, Straus` „Cleopatra“, Benatzkys „Jungfrau von Orléans“…) öffnet auch die Tür für bissigere Kommentare zur politischen Lage und zu teils prekären gesellschaftlichen Verhältnissen, wie in Künnekes „Lied der Europa“, Kästners „Handstand auf der Lorelei“ oder Hollaenders „Zieh dich aus, Petronella“.
Der rote Faden, der Themen und Autoren verbindet, ist, wie der Titel verrät, das „Weibsbild“ – in diesem Falle nicht nur ironisch, sondern auch vielschichtig zu verstehen: es geht schließlich (auch) um Bilder, um die Wahrnehmung und Darstellung verschiedener weiblicher Schlüsselgestalten, mal historisch verbürgt, mal in Kunst- und Kulturgeschichte erdacht und verankert. Es singen und spielen zudem zwei Weibsbilder, die unterschiedlicher nicht sein könnten und diese legendären Damen beschreiben, ihnen gar Ihre Stimmen leihen – und sich in ihrer Eigenschaft als Musikerinnen und Theaterdarstellerinnen letztlich auch selbst als Projektionsfläche zur Verfügung stellen.
Dass ein Abend über Frauen hauptsächlich von Werken aus männlichen Federn zusammen-gesetzt ist, ist nicht bloß dem Mangel oder der fehlenden Sichtbarkeit weiblicher Autorinnen geschuldet. Auch hier spiegelt sich das Schaffen gewisser Phantasien vielseitig und symbol-kräftig wider. Drei prominente, jedoch unterrepräsentierte Weibsbilder kommen allerdings zu Wort. Die hoch gebildete Madame Emilie du Chatelet, die als Lebensgefährtin Voltaires wohl maßgeblichen Beitrag zur Aufklärung leistete, setzte sich mit ihrem Essay „Rede vom Glück“ ein kleines, aber feines Denkmal; Irmgard Keun charakterisiert sich in ihrem „Selbstporträt ei-ner Frau mit schlechten Eigenschaften“ durchaus spitzfindig, und zu guter Letzt kommt auch Kaiserin Elisabeth kurz zu Wort; dass auch der mitunter selbst gewählte Rahmen, in dem man sich dekorativ positioniert, nicht immer das große Glück bedeutet, wissen Menschen(bilder) allerlei Geschlechts.
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