News aus dem deutschen Theater
07.01.2020
Werkeinführung zum Musical Sweeney Todd
Der mörderische Musical-Spaß Sweeney Todd kommt 2020 im englischen Original auf unsere Bühne – in einer Neuinszenierung des English Theatre Frankfurt. In dieser kleinen Werkeinführung sind die wichtigsten Infos zu Charakteren, Handlung und Einflüssen kompakt zusammengefasst.
Sweeney Todd – The Demon Barber of Fleet Street (Der teuflische Barbier aus der Fleet Street)
Musical-Thriller von 1979
Musik und Songtexte: Stephen Sondheim
Buch: Hugh Wheeler
Basierend auf dem gleichnamigen Theaterstück von Christopher Bond aus dem Jahr 1973
Die Charaktere
Benjamin Barker alias Sweeney Todd: ein Barbier auf Rachefeldzug in London
Turpin: ein grausamer Richter und Lustmolch
Mrs. Nellie Lovett: Besitzerin eines Fleischpastetenladens
Lucy: Todds geliebte Frau
Johanna: die Tochter von Lucy und Todd
Anthony Hope: ein junger Matrose, in Johanna verliebt und mit Todd befreundet
Beadle Bamford: die rechte Hand von Richter Turpin
die Bettlerin: eine arme Prostituierte, die Todd zu kennen scheint
Adolfo Pirelli: ein konkurrierender Barbier
Tobias Ragg: sein Gehilfe
Die Handlung
Akt I
Der geschickte Barbier Benjamin Barker im viktorianischen London ist glücklich mit Lucy verheiratet, sie haben eine kleine Tochter namens Johanna. Doch der grausame Richter Turpin begehrt Lucy und veranlasst, dass Barker unter falschen Anschuldigungen in die Strafkolonien nach Australien verbannt wird – lebenslang.
Doch nach 15 höllischen Jahren kann Barker auf einem Schiff entkommen, gerettet vom jungen Matrosen Anthony, dem er sich als „Sweeney Todd“ vorstellt. Als sie in London ankommen, wird Sweeney von einer Bettlerin belästigt, wimmelt sie aber ab. Sein altes Haus gehört nun Mrs. Lovett, die den Fleischpastetenladen unter seinem ehemaligen Barbiergeschäft betreibt – mehr schlecht als recht, denn Fleisch ist rar und teuer. Sie erkennt Todd als Benjamin Barker und gibt ihm seine Rasierklingen wieder. Sie erzählt ihm auch, dass Turpin Lucy nach seiner Verhaftung vergewaltigt hat, worauf sie sich vergiftete, und dass Johanna in Turpins Obhut kam. Todd schwört Rache.
Die inzwischen jugendliche Johanna sitzt im Haus des Richters am Fenster und singt. Anthony sieht sie und verliebt sich sofort, wird aber von Turpin und seinem Gehilfen Beadle Bamford verjagt.
Um sein Geschäft zu etablieren, fordert Todd den angeblich italienischen Barbier Adolfo Pirelli zu einem öffentlichen Rasier-Wettbewerb heraus, denn er haushoch gewinnt. Pirelli, der eigentlich Ire ist, kommt am nächsten Tag in Todds Laden mit seinem Gehilfen Tobias. Pirelli hat Todd als Benjamin Barker erkannt und erpresst ihn – Todd sieht keinen anderen Ausweg, als ihn zu töten.
Turpin erkennt, dass er Johanna nicht ewig kontrollieren kann und beschließt, sie zu heiraten. Anthony möchte daher mit ihr fliehen. Turpin geht zu Todds Barbiergeschäft, um sich für Johanna schick machen zu lassen. Bevor Todd ihm die Kehle durchschneiden kann, platzt Anthony herein. Turpin erkennt ihn als Johannas Verehrer und verlässt empört den Laden.
Um Pirellis Leiche loszuwerden, hat Mrs. Lovett die Idee, diese zu Fleischpasteten zu verarbeiten.
Akt II
Todd installiert einen zurückklappbaren Barbierstuhl und eine Falltür: Er tötet seine Kunden in blinder Mordlust und schickt die Leichen ein Stockwerk tiefer in Mrs. Lovetts Backstube – das Geschäft brummt. Tobias arbeitet nun für die beiden, weiß aber nichts von den Morden.
Turpin erfährt von Johannas Fluchtplänen und sperrt sie in ein Irrenhaus. Anthony gibt sich als Perückenmacher aus, rettet Johanna und bringt sie in Todds Laden – er erkennt sie nicht als seine Tochter, nutzt sie aber als Köder für Turpin. Tobias findet menschliche Überreste neben dem Fleischwolf.
Beadle Bamford will nach dem Rechten sehen, da sich Nachbarn über den Gestank aus dem Backladen beschweren, und wird von Todd entsorgt; Tobias sieht die Leiche. Auch die Bettlerin und Richter Turpin kommen zum Laden und das Stück endet in diversen blutigen Morden, zu späten Erkenntnissen und einem kleinen Hoffnungsschimmer…
Die Musik
Sweeney Todd wurde von Sondheim selbst als „schwarze Operette“ („black operetta“) bezeichnet und ist weitestgehend durchkomponiert – der Gesangsstil und die Harmonik ordnen das Stück aber in das Genre des Broadway-Musicals ein. Sondheims Kompositionen sind komplex, mit eckigen Harmonien, Kontrapunkt und ca. zwanzig wiederkehrenden Leitmotiven. Er baut viele musikalische Anspielungen und Raffinessen in seine Partitur ein: Bspw. ertönen immer wieder unterschiedliche Versionen der mittelalterlichen Totenmesse „Dies Irae“ („Tag des Zorns“), die zahlreichen Todesfälle im Musical vorausahnend.
Das wiederkehrende musikalische Motiv des Charakters Sweeney Todd hat etwas Maschinelles, in Anlehnung an sein industrialisiertes Tötungsverhalten mithilfe des zurücklappbaren Barbierstuhls und der Falltür, inspiriert von der industriellen Revolution zur Zeit des Stückes; Todd ist im wahrsten Sinne eine „Killermaschine“. Dabei stellt Sondheim seine Titelfigur jedoch nicht einfach als kaltblütigen Mörder dar, sondern ergründet die emotionalen und psychischen Tiefen aller seiner Charaktere, wodurch wir Todd als Täter ebenso wie als Opfer kennenlernen.
Reale Einflüsse: Das viktorianische London
Ende des 19. Jahrhundert war London die bevölkerungsreichte Stadt der Welt. Die industrielle Revolution veränderte die Wirtschaft und Landschaft rapide. Soziale Ungerechtigkeit resultierte in Kriminalität, Krankheit, Armut und Prostitution – insbesondere in der breiten Arbeiterklasse. Der berüchtigte Serienmörder Jack the Ripper trieb 1888 sein Unwesen in East London: Er tötete mindestens fünf Prostituierte, indem er ihnen die Kehle durchschnitt.
Sog. Music Halls boten populäres Entertainment für die niedrigeren Klassen – Mrs. Lovetts Song „By the Sea“ ist ein Tribut an dieses Genre.
Hunderttausende Iren emigrierten um 1850 nach England und London, wo sie in fürchterlichen Bedingungen lebten. Im Musical werden sie durch den Charakter Pirelli repräsentiert.
Die Autoren
Stephen Sondheim (*1930) ist ein amerikanischer Komponist und Songtexter – einer der wenigen Kreativen, der diese beiden Rollen in Personalunion erfolgreich ausführt. Er erhielt bislang einen Oscar, acht Tonys, acht Grammy Awards, einen Pulitzer Prize und sechs Laurence Olivier Awards. Zu seinen vielen Werken zählen Company (1970), Follies (1971), A Little Night Music (1973), Sunday in the Park with George (1984) und Into the Woods (1987). Er schrieb die Songtexte u.a. für die West Side Story (1957). 2010 wurde ein Broadway-Theater nach ihm benannt.
Hugh Wheeler (1912-1987) war ein britischer Schriftsteller, Drehbuch-Autor, Librettist, Dichter und Übersetzer. Unter den Pseudonymen Patrick Quentin, Q. Patrick und Jonathan Stagge veröffentlichte er zahlreiche Mystery-Romane und Kurzgeschichten. Er erhielt den Tony Award und den Drama Desk Award für Outstanding Book of a Musical für A Little Night Music (1973), Candide (1974) und Sweeney Todd (1979).
Das Musical Sweeney Todd ist von 4. bis 15. März 2020 bei uns zu sehen. Alle Infos gibt es hier.
Kostenlose Werkeinführungen vor den Vorstellungen
Sie wollen noch mehr über das Stück und seine Geschichte, Sondheims Kompositionen und die Inszenierung des English Theatre Frankfurt erfahren? Jeweils 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn haben Sie die Möglichkeit, an einer kostenlosen Werkeinführung in deutscher Sprache teilzunehmen. Diese dauert 15 Minuten und findet im Barocksaal statt, der sich direkt gegenüber des Eingangs zum Theaterfoyer befindet. Bei Schulvorstellungen findet die Einführung auf der Bühne im großen Theatersaal statt.