News aus dem deutschen Theater
10.06.24
Wer war Frida Kahlo?
Am 13. Juli jährt sich der Todestag von Frida Kahlo zum 70. Mal. Enrique Gasa Valga und die La Limonada Dance Company haben sich intensiv mit dem Leben, den Leidenschaften und der Ausstrahlung der mexikanischen Malerin auseinandergesetzt. Im preisgekrönten Tanztheater „Frida Kahlo – Pasión por la Vida!“ bringen sie ihre bewegte Geschichte gefühlvoll und ergreifend auf die Bühne.
Eine Frau, die dem Tod ins Gesicht lachte
Frida Kahlo wurde am 6. Juli 1907 im „Blauen Haus“ in Coyoacán (Mexiko-Stadt) geboren und auf den Namen Magdalena Carmen Frieda Kahlo y Calderón getauft. Ihre Mutter war Mexikanerin, ihr Vater, dem sie sehr nahestand, ein Kunstfotograf ungarisch-deutscher Herkunft. Jener war es, der Frida Deutsch beibrachte, was erklärt, warum Texte wie „Die Moritat von Mackie Messer“ in ihrem Tagebuch auf Deutsch zu finden sind.
Später wollte sie sich von Nazi-Deutschland distanzieren und änderte den Namen Frieda in Frida. Sie gab auch ein falsches Geburtsjahr an: 1910, das Jahr, in dem die mexikanische Revolution begann. Sie porträtierte sich in ihren Gemälden selbst auf der einen Seite als Märtyrerin, umgeben von christlichen Symbolen, und auf der anderen Seite als lebendige, fröhliche Frau im Tehuana-Kleid, mit einem derben Sinn für Humor, als Frau, die dem Tod ins Gesicht lachte und das Leben in all seinen Facetten zu begegnen schien.
Schmerzvolle Selbstporträts
Im Alter von nur sechs Jahren erkrankte sie an Kinderlähmung und musste neun Monate im Bett bleiben. Ihr linkes Bein blieb unterentwickelt, weshalb sie ihr ganzes Leben lang leicht humpelte. Im Jahr 1925, im Alter von nur 18 Jahren, wurde sie Opfer eines schweren Busunfalls. Ein Eisenstab durchbohrte ihren Bauch und verursachte schwere Verletzungen. Sie entkam knapp dem Tod und ihr Körper musste in langen, aufwändigen Operationen mühsam wieder zusammengesetzt werden.
Ihr ganzes Leben war von den Folgen dieses Unfalls geprägt. Frida Kahlo verbrachte nach dem Unglück drei Monate im Bett und begann zu malen. Mit Hilfe einer speziellen Staffelei, die das Malen im Liegen ermöglichte, entstand 1926 ihr erstes ernsthaftes Gemälde: „Selbstporträt in einem Samtkleid“. Wie in den meisten ihrer meist kleinformatigen Gemälde ist sie selbst der Mittelpunkt. Frida sagte: „Ich male Selbstporträts, weil ich so oft allein bin, weil ich die Person bin, die ich am besten kenne.“ In ihren Gemälden, die als eine Art Tagebuch ihrer Seele angesehen werden können, verarbeitete sie sowohl ihren körperlichen als auch ihren emotionalen Schmerz und offenbarte dabei viel über sich selbst – in verstörenden, manchmal unerträglich grausamen Gemälden.
Skandalöse Ehe mit Diego Rivera
Im Jahr 1929 heiratete Frida den Muralisten und zu dieser Zeit einen der bedeutendsten Künstler und Frauenhelden Mexikos, Diego Rivera. In ihrem Tagebuch schreibt sie von ihrer großen „himmlischen“ Liebe, aber auch von den Streitigkeiten zwischen ihnen wegen Diegos vieler Affären, einschließlich mit Fridas Schwester Cristina. Ein berühmtes Zitat Fridas spiegelt wider, was Diego Rivera für ihr Leben bedeutete: „Es gab zwei große Unfälle in meinem Leben. Einer war der Bus, der andere war Diego. Diego war mit Abstand der schlimmste.“ Frida begann, selbst Affären zu haben – mit Männern und Frauen, was in ihrer frei denkenden bohemistischen Umgebung keineswegs ungewöhnlich war. Während ihres Aufenthalts in Paris soll sie sogar eine Affäre mit Josephine Baker gehabt haben.
Frida und Diego waren das Zentrum der Intellektuellen Mexikos und das Mekka internationaler Künstler, Flüchtlinge, politischer Aktivisten und Menschen, die Geld für Kunst ausgeben wollten. Sie alle besuchten Diego und Frida. Ihr berühmtester Gast war auch ihr berühmtester Liebhaber: Leon Trotzki, der dank Diegos persönlicher Bemühungen in Mexiko Asyl erhielt und mit seiner Frau von 1937 bis 1939 im „Blauen Haus“ lebte.
Abschiedsgruß an das Leben
Nach dem Tod Ihres Vaters 1941, verschlechterte sich Fridas Gesundheit zunehmend. Sie kam sogar zur ersten und einzigen Einzelausstellung ihrer Werke in ihrem Heimatland während ihrer Lebenszeit mit der Rettung und ließ ein Bett aufstellen, damit sie daran teilnehmen konnte. Ihr letzter öffentlicher Auftritt fand 1954 bei einer Demonstration gegen die CIA-Einmischung in die guatemaltekische Präsidentschaftswahl statt. Aufgrund ihrer Beinamputation erschien sie in einem Rollstuhl. Im gleichen Jahr, eine Woche bevor sie im Alter von nur 47 Jahren starb, notierte Frida ihren Namen, das Datum und den Ort auf ihr letztes Gemälde über das purpurrote Fleisch der vordersten Wassermelone: „Ich hoffe, der Abgang ist freudig und ich hoffe, nie wieder zurückzukehren.“ Dann schrieb sie in großen Buchstaben ihren möglicherweise ironischen Abschiedsgruß an das Leben: Viva la vida (Es lebe das Leben).
Frida Kahlo im Tanz erkunden
Das Leben und die Kunst von Frida Kahlo haben Enrique Gasa Valga schon immer fasziniert. „Sie war eine Frau von immenser Kraft und Widerstandsfähigkeit, die zahlreiche Herausforderungen und Widrigkeiten überwunden hat. Ihre Geschichte ist zutiefst menschlich und nachvollziehbar“, so Gasa Valga. Er wolle die Emotionen und Themen, die ihre Arbeit durchdringen, durch das Medium des Tanzes erkunden.
Frida, ihr ganzes Leben lang vom Tod begleitet, (er)lebte ihr Leben in dessen voller Intensität: ob Momente, die von Sonnenstrahlen durchflutet waren oder aber jene Augenblicke, die so finster wie die dunkelste Nacht erschienen. Ihre Geschichte hatte die ganze Welt fasziniert und tut es noch heute. Durch Bewegung und künstlerische Darstellung macht Enrique Gasa Valga Fridas unbeugsamen Geist, ihre Leidenschaft, ihre Intensität und ihren Schmerz sichtbar.
Die zwei Fridas
Inspiriert vom Selbstportrait „Die zwei Fridas“ (1939), versteht Gasa Valga die Entstehung der zweiten Frida erst nach dem schweren Unfall, bei dem sie nur knapp dem Tod entkam. Ab diesem Zeitpunkt scheint es, als ob Frida Kahlo sich in zwei Teile geteilt hätte: in jene Frida, die dem Tod entkam und in die Frida, die dem Leben voller Lebensfreude – frei von jeglichem Schmerz – begegnet. Diese Dualität ihrer Seele koexistiert – bildlich betrachtet – zeitweise wie zwei unabhängige Wesen und zeitweise verschmelzend miteinander. Die zwei Frida-Tänzerinnen, Lara Brandi und Pilar Fernández Sánchez, verkörpern sowohl die Stärke als auch die Verletzlichkeit der Künstlerin. Dadurch wird eine visuelle Erzählung geschaffen, die die Komplexität ihres Lebens widerspiegelt und versucht, die Essenz von Frida Kahlos einzigartiger Weltanschauung einzufangen.
Erstmals mit Live-Musik
Enrique Gasa Valga hat im Deutschen Theater München den perfekten Aufführungsort für die Wiederaufnahme von Frida Kahlo gefunden. Nachdem seine erste Produktion Der große Gatsby im März mit tosendem Applaus aufgenommen wurde, erwartet das Publikum nun erneut ein tief bewegendes Stück, das zum ersten Mal von Live-Musik begleitet wird. Die Bozner Sängerin Greta Marcolongo, die bereits in Der große Gatsby vom Münchner Publikum gefeiert wurde und der musikalische Leiter Roberto Tubaro, der für die Originalkompositionen und die meisterhaften Neuarrangements der Musik verantwortlich zeichnet, sind erneut Teil des Teams.
Die La Limonada Dance Company lädt das Publikum ein, sie auf eine Reise durch das Herz und die Seele einer der fesselndsten Figuren der Kunstgeschichte zu begleiten.
Fotos: Martin Segeta