News aus dem deutschen Theater
Foto: Matthias Jung
18.06.24
Ist die Welt auch noch so schön, einmal muss sie untergeh’n
Am 2. Mai 1899 feierte Paul Linckes Frau Luna im Berliner Apollotheater Uraufführung. Auch über 100 Jahre später hat die unterhaltsame Operette nicht an Aktualität verloren: Sie lehrt, die Erde und ihre Schönheit wertzuschätzen und das Leben mit Leichtigkeit zu betrachten. Am 25. und 26. ist das Werk in der gefeierten Inszenierung des Landestheaters Detmold in München zu sehen.
Begeisterung für Marschmusik
Durch die gefeierte Premiere von Frau Luna wurde Paul Lincke zum Vater der Berliner Operette – und das, obwohl er nie eine Musikschule oder Akademie besucht hatte. Nach dem frühen Tod seines Vaters fehlte der Familie nämlich das Geld dafür. Der junge Lincke lauschte jedoch begierig der Marschmusik der preußischen Militärkapellen auf den Straßen Berlins. Sein Onkel stellte fest, dass der junge Paul ein absolutes Gehör hatte, schenkte ihm eine Geige und vermittelte ihn später nach Wittenberge zur Stadtpfeifferei. Diese spielte zu verschiedenen Anlässen wie Hochzeiten, Beerdigungen und Taufen. So konnte Lincke sein musikalisches Repertoire erweitern und gleichzeitig mehrere Instrumente lernen.
Paul Lincke traf den Nerv der Zeit
Später wurde er Orchestermusiker, dann Korrepetitor, Kapellmeister und Komponist am Berliner Apollotheater, das für seine leichte Unterhaltung bekannt war. Genau das konnte Paul Lincke: Er hatte zwar nicht studiert, wusste aber, wie man ein breites Publikum unterhält. Gemeinsam mit dem Librettisten Heinz Bolten-Baeckers, den er vom Skatspielen kannte, schuf er Ohrwürmer, die bald in den Berliner Gassen rauf und runter gesummt wurden. Die eingängigen Lieder und die lebensnahe Geschichte von Frau Luna kamen vor allem in der um die Jahrhundertwende stark wachsenden Arbeiterschaft gut an. Zudem traf die Operetten den Zeitgeist, denn mit Persönlichkeiten wie Otto Lilienthal und Ferdinand von Zeppelin drehte sich alles ums Fliegen.
Von Wohnungsnot und Klimawandel
Auch wenn die Faszination des Fliegens nachgelassen hat, ist Frau Luna nach wie vor aktuell. Als Ausgangspunkt der Handlung wählt das Landestheater Detmold die Berliner Wohnungsnot. So wird Hauptcharakter Fritz Steppke in dieser Inszenierung von seiner Vermieterin gekündigt und er begibt sich mit zwei Freunden auf die Suche nach einem Einfamilienhaus auf dem Mond. Als er merkt, dass es dort auch schon sehr voll ist, bekommt er Heimweh und fliegt zurück. Die Regisseurin Katja Wolff hat sich für den Rückflug von der „Nachricht an meine Enkelkinder“ des Astronauten Alexander Gerst aus dem Jahr 2018 inspirieren lassen. Gerade im Hinblick auf den Klimawandel bekommen die Zeilen von Heinz Bolten-Baeckers „Ist die Welt auch noch so schön, einmal muss sie untergeh’n“ eine neue Bedeutung.